Beiträge

Zweiklassenmedizin – Ist unsere Grundversorgung gefährdet?

Lange Zeit galt Deutschland als Vorzeigeland in Sachen medizinischer Grundversorgung. Wer krank war, konnte zum Arzt und wurde auch zeitnah behandelt. Wer ins Krankenhaus musste, konnte immer mit einem Klinikbett rechnen, zumindest innerhalb einer angemessenen Frist. Heute herrscht Notstand. Die Kosten steigen, die Kapazitäten schrumpfen. Und hinzu kommt, dass immer weniger Menschen einen verhältnismäßig schlecht bezahlten Job in der Pflege ausüben wollen, der sie körperlich und mental an ihre Grenzen bringt.

Die Folge: Immer mehr Menschen haben Probleme, überhaupt eine Grundversorgung zu erhalten – sowohl aus Kapazitäts- als auch aus finanziellen Gründen. Die Praxen niedergelassener Ärzte, aber besonders die Krankenhäuser, sind völlig überfüllt. Patienten und Patientinnen müssen sich auf Wartelisten setzen lassen, bevor sie die notwendige Pflege erhalten. Wir steuern auf eine Welt zu, in der immer weniger Menschen Zugang zu einer Versorgung im Krankenhaus haben. Das sind beinahe schon Zustände wie in den USA. Eine Zwei-Klassen-Medizin wird immer deutlicher. All diese Probleme sind lange bekannt. Doch die Politik hat bisher viel zu wenig dagegen unternommen.

Kein Geld, keine Medizin?

Für uns war es über Jahrzehnte hinweg selbstverständlich, dass die Krankenkasse unsere Kosten für Behandlungen übernimmt. Selbst einige Therapien aus der Naturheilkunde haben Einzug gehalten in die Kataloge der gesetzlichen Versicherungen. In den letzten Jahren mussten wir jedoch lernen, dass selbst wichtige Vorsorgeuntersuchungen nicht mehr oder nur noch in größeren Abständen übernommen werden. Nur ein Beispiel:

Frauen zwischen 20 und 34 Jahren können jährlich einen Pap-Abstrich als Krebsvorsorge über die Krankenkassen abrechnen. Bei Frauen ab 35 Jahren übernehmen die Kassen nur noch alle drei Jahre den Abstrich als einen Kombi-Test mit der Untersuchung auf HPV-Viren. Die Krebsvorsorge mithilfe des vaginalen Ultraschalls ist inzwischen ohne hinreichenden Verdacht eine reine Selbstzahlerleistung.

Jetzt kann man sich über viele Untersuchungen und deren wissenschaftlich begründete Notwendigkeit sicher streiten. Und ich bin kein Verfechter eines permanenten „zu viel“ an Medizin. Wäre unser Gesundheitswesen aber mehr auf Prävention statt auf Heilung ausgelegt, würden sich viele Kosten von selbst erledigen, weil Krankheiten vorgebeugt würde oder Befunde so rechtzeitig erkannt und behandelt werden könnten, dass kostspielige Therapien bereits im Vorfeld vermieden werden könnten.

Stattdessen wird der Katalog an so genannten IGeL-Leistungen, also individuellen Gesundheitsleistungen immer größer und Mediziner werden in Generalverdacht gestellt, unnötige Untersuchungen auf Kosten der Patienten durchzuführen, um an Gelder zu gelangen. Ein Artikel der Verbraucherzentrale bietet, wenn auch vermutlich unabsichtlich, einen Überblick über die Absurdität. Zu beachten gilt hier besonders die Formulierung: „Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen aber nur Leistungen bezahlen, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind“. Während ich bei der Zweckmäßigkeit auf jeden Fall zustimme. Eine sinnlose Untersuchung muss nun wirklich nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit lässt sich aber streiten. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die teuer sind, aber trotzdem gesundheitlich sinnvoll. Meist sind sie trotzdem noch kostengünstiger als die Therapie, wenn eine Erkrankung spät oder zu spät entdeckt wird.

Wir steuern also auch in Deutschland nun auf eine große Notlage zu – viele befinden sich bereits mittendrin. Lange Wartezeiten, Ärzte, die keine neuen Patienten mehr aufnehmen und eine Bevölkerung, die in der Mehrzahl die zunehmende Kosten für eine Grundversorgung nicht mehr stemmen kann. Und zu den Behandlungskosten kommen noch die Zuzahlungen für Medikamente. Für viele bedeutet das: Kein Geld, keine Medizin.

Deutschland – ein erschreckendes Bild

Ein erschreckendes Bild, das Deutschland hier abgibt. Viele werden jetzt sagen: Bei uns ist es immer noch besser als in anderen Ländern. Aber das halte ich für den falschen Ansatz. Wir sollten den Anspruch haben, besser zu werden und nicht stetig abzubauen. Von einem Land, das so viel Wohlstand genießt wie Deutschland, erwarte ich, dass keiner durch das Sicherheitsnetz fällt. Das gilt sowohl für Patienten als auch für alle, die in der Medizin tätig sind. Wir müssen ernst nehmen, dass auch die Zeit, die besonders Schulmediziner mit ihren Patienten verbringen können, immer geringer wird. Das Kassen-Abrechnungssystem zwingt Ärzte immer häufiger dazu, nicht mehr zuzuhören und vorschnelle Diagnosen abzugeben oder sogar Patienten abzuweisen, weil sie die Behandlungskosten sonst aus eigener Tasche bezahlen müssten. Das ist unwürdig und völlig am Menschen vorbei konzipiert.

Der Beitrag von Heilpraktikern

Da ist es kein Wunder, dass Menschen, die in ihre Gesundheit investieren können und wollen, viel lieber zu Heilpraktikern gehen, die sich ausreichend Zeit für eine Diagnose nehmen und ihre Patienten und Patientinnen noch individuell betreuen können. Das erklärt sicher auch die große Offenheit der Bevölkerung gegenüber komplementärmedizinischer Verfahren. Ja, es gibt auch schwarze Schafe unter den Heilpraktikern – ebenso wie in der Schulmedizin. Aber wenn wir dazu beitragen können, eine medizinische Grundversorgung aufrechtzuerhalten, sollten unsere Bemühungen nicht auch noch torpediert werden. Es ist unser alleiniges Anliegen, dass jede Person das Recht auf eine angemessene Versorgung erhält. Hier ist dringender Handlungsbedarf vonnöten.

Besonders betroffen: Krankenhäuser

Es kann nicht sein, dass viele sich heute schon fragen: Warum soll ich überhaupt noch zum Arzt gehen, wenn ich mir die Behandlung dann sowieso nicht leisten kann oder sowieso kein Krankenbett für mich zur Verfügung steht. Dringender Handlungsbedarf ist besonders bei der Krankenhausversorgung geboten. Wir müssen die Leistung verbessern und für alle eine Zugangsberechtigung gewährleisten. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung und Pflege bekommen. Dazu gehört auch eine Aufstockung des Personals in Kliniken und die dafür notwendige angemessene Bezahlung des Krankenhauspersonals. Wie kann es sein, dass jemand, der sich täglich um bedürftige Menschen kümmert, körperlich, mental und finanziell ständig am Limit lebt? Die Arbeitsbedingungen sind beschämend und darunter leiden dann in der Konsequenz wieder diejenigen, die Hilfe brauchen.

Die Regierung muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Versorgung in Krankenhäusern zu verbessern und dafür Sorge tragen, dass das Personal anständig bezahlt wird. Wenn sich ein Investment immer lohnt, dann in die Gesundheit – das gilt für jeden einzelnen, aber auch im Besonderen für die Politiker, die unser Land regieren. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen keine Angst davor haben, sich medizinische Hilfe zu suchen, weil sie es sich eventuell nicht leisten können. Und wer anderen Menschen teils unter unwürdigen Konditionen hilft, soll weder seine eigene Gesundheit ruinieren noch am Existenzminimum leben müssen.

Damit meine ich nicht, dass wir unsere Verantwortung ablegen und darauf bauen, dass der Staat das schon richtet. Aber wer in eine Notlage gerät, muss angemessen versorgt werden, unabhängig davon, wieviel er verdient. Das ist meiner Überzeugung nach ein Grundrecht, das jeder Mensch mit seiner Geburt erhält und für die Gewährleistung muss der Staat sorgen.

Warum das neue MTA-Gesetz auch für Heilpraktiker eine Chance ist

Als Heilpraktiker sind wir es gewohnt, immer wieder Gegenwind zu bekommen – von Ärzten, von der Politik oder von den Medien. Der kommt und geht in Wellen. Jetzt aber hat Jens Spahn, unser Bundesgesundheitsminister, ein Rechtsgutachten über den Berufsstand in Auftrag gegeben. Eine solche Initiative ruft natürlich auch gleich wieder alle anderen „Gegner“ auf den Plan. Zurzeit sind die deutschen Laborärzte dran. Sie gehen über das neue Gesetz für die Medizinisch-technischen Assistenten (MTAs) und haben ehrlicherweise auch den ein oder anderen berechtigten Kritikpunkt. Und trotzdem erschließt sich mir nicht, warum Heilpraktiker nach der Meinung des Bundesverband Deutscher Laborärzte (BDL) gleich gänzlich aus dem Gesetz gestrichen werden sollen. Sie verdienen doch eine Menge Geld an Leistungen, die wir Heilpraktiker dort beauftragen. Wirklich schwierig finde ich aber, dass mit der Streichung gar nicht klar definiert wird, was aus der Veränderung wirklich resultiert.

Aufwendige Analysen oder notwendige Schnelltests

Soll erreicht werden, dass ausschließlich aufwendige Laboranalysen durch entsprechend teure Laborgeräte nicht mehr durchgeführt werden dürfen, bin ich als Heilpraktiker sogar auf der Seite der Laborärzte. Aber was ist mit notwendigen Schnelltests, die uns mögliche Gefahren aufzeigen und uns veranlassen, den Patienten einem Facharzt vorzustellen? Dürfen wir die nicht mehr durchführen, würde das eine unnötige Gefahr für Patienten bedeuten, weil wir sie nicht mehr umfassend untersuchen können. Besonders dann, wenn es schnell gehen muss, kann das fatal sein. Dürfen wir Blutzuckertests nicht mehr machen oder Urinstix nicht mehr verwenden, um mögliche Infektionen im Bereich der Harnorgane zu entdecken, kann das für Patienten schlimme Folgen haben. Also ist es die Pflicht des Gesetzgebers genau zu definieren, was die Streichung der Heilpraktiker in diesem Gesetz detailliert bedeutet.

Politiker müssen in den Dialog treten

Ich möchte betonen, dass auch ich als Heilpraktiker es nicht für gut halte, wenn Praxen über größere Geräte verfügen und Blutanalysen oder Ähnliches, was durch qualifizierte MTAs durchgeführt werden müsste, selbst ausführen. Den grundlegenden Vorstoß, das zu ändern, kann ich nur begrüßen. Warum aber sollten Heilpraktiker auf Schnelltests verzichten oder selbst kein Blut mehr in Labore geben, um die gewünschten, qualifizierten Ergebnisse zu erhalten? Ich fordere eine sinnvolle und vor allem klare Lösung im Sinne des Patienten. Und dafür brauchen wir Politiker, die nicht alles abblocken, sondern bereit sind, in den Dialog mit uns zu treten. Nur im echten Austausch lassen sich diese Unklarheit und auch viele weitere problematische Punkte lösen, die immer wieder in Verbindung mit Heilpraktikern aufs Tapet gebracht werden.

Den Heilpraktiker reformieren

Ich würde den Beruf der Heilpraktiker auf alle Fälle erhalten wollen. Aber den meisten von uns ist klar, dass auch das Heilpraktikergesetz einer Novellierung bedarf, um weitaus höhere Standards zu garantieren. Bisher ist zum Beispiel die Ausbildung uneinheitlich und wird staatlich nicht kontrolliert – ganz anders als bei den Ärzten. Hier müssen wir ansetzen.

Aber wir werden staatlich einheitlich überprüft, auch wenn das nicht überall gleich umgesetzt wird. Generell gilt das örtliche Gesundheitsamt als Aufsichtsbehörde für uns Heilpraktiker. Ich werde beispielsweise regelmäßig von Mitarbeitern besucht und meine Praxis wird auf Hygienekonzepte etc. untersucht. Neben diesen Maßnahmen werden Arbeitsschutzmaßnahmen und Ähnliches kontrolliert. Das passiert in vielen weiteren Praxen auch.

Komplementär heißt zusammen und nicht gegeneinander

Es gibt also keinen Grund generell gegen Heilpraktiker zu wettern. Wir – also Heilpraktiker und Ärzte – müssen komplementär denken und arbeiten. Deshalb kann die Naturheilkunde auch nie eine Alternative darstellen. Sie ist immer Kooperationspartner der Schulmedizin. Im Sinne meiner Patienten arbeite ich erfolgreich mit Ärzten und Kliniken zusammen. Für mich ist wichtig, die Grenzen der Naturheilkunde zu erkennen und den Patienten darüber aufzuklären und nicht meine persönliche Ansicht prägt meine Arbeit, sondern die Bedürfnisse meiner Patienten. In manchen Fällen kann es deshalb auch dazu kommen, dass ich eine Behandlung ablehne, weil der Patient nicht bereit ist, parallel den schulmedizinischen Weg zu gehen. Es darf aber zum Wohle der Gesundheit kein Entweder-oder geben.

Widerstand gegen Naturheilkunde

Große Sorge bereitet mir aber, unabhängig von unserem Berufsstand, die zunehmende Abkehr von der Naturheilkunde. Innerhalb der Ärzteschaft wird gerade der Facharzt für Naturheilkunde nahezu abgeschafft. Das zeigt, dass es gar nicht nur um uns Heilpraktiker geht, sondern dass die Naturheilkunde nicht unbedingt gewollt wird. Das ist mir völlig unverständlich. Viele schulmedizinische Therapien kann die Naturheilkunde doch begleiten und dabei zum Beispiel starke Nebenwirkungen abmildern. Was spricht denn dagegen?

Ich wünsche mir von Politikern mehr Gesprächsbereitschaft für eine Neuordnung des Berufsstandes, ohne über eine Abschaffung nachzudenken. Von Ärztevertretern würde ich mir eine Änderung ihrer eigenen Berufsordnung wünschen. Denn diese „verbietet“ zurzeit noch die Kooperation mit den Heilpraktikern. Kein Gesetz, keine Heilpraktikerordnung, ausschließlich die der Ärzte enthält so einen Passus. Vielleicht können wir ja über die Diskussion um das neue MTA-Gesetz gleich weitere Veränderungen anstoßen. Das wäre eine gute Chance für alle im Sinne der Patienten für Klarheit und echte Zusammenarbeit zu sorgen. Das wünsche ich mir.