Medizin goes digital – Warum Telemedizin ein Zukunftsmodell ist

Das Covid-19 Virus schreitet immer weiter voran und das stellt meine Patienten, meine Praxis und meine Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Auch wenn ich als Heilpraktiker das Coronavirus nicht behandeln darf, kann es trotzdem passieren, dass Infizierte zu mir in die Praxis kommen. Das macht sicherlich keiner absichtlich. Viele wissen einfach nicht, dass sie sich infiziert haben und kommen aus ganz anderen Gründen zu mir. Selbstverständlich halten wir uns an alle Hygiene- und Abstandsmaßnahmen, die uns vorgegeben werden. Aber ein Restrisiko bleibt immer bestehen, besonders weil zahlreiche Infizierte keine oder nur kaum Symptome aufweisen.

Sprechstunde online abhalten

Als probates Mittel, das Risiko einzudämmen, dient mir die Telemedizin, die inzwischen nicht nur Heilpraktiker, sondern auch Schulmediziner nutzen dürfen. Ich halte einfach einen Teil meiner Sprechstunde online ab. Zurzeit ist das ein wichtiger Bestandteil. Aber auch schon vor Corona gehörte diese Methode zu meinem „normalen“ Praxisalltag. Besonders meine Patienten, die weiter weg wohnen, wissen die online Sprechstunde sehr zu schätzen. Eine Erstanamnese kann sprechstunde.online, das Tool, das ich nutze, nicht ersetzen. Aber es bietet sich an, Beratungen online durchzuführen und Entscheidungen für weitere Behandlungsabläufe zu treffen. Meinen Patienten erspart das oftmals eine zeitaufwendige Anreise, Fahrtkosten und es gibt mir eine hohe Flexibilität, was meinen Praxisalltag betrifft. Und in diesen für uns alle schweren Zeiten hilft es dabei, das, was man so schön Social Distancing nennt, aufrechtzuerhalten und trotzdem mit mir, einem anderen Heilpraktiker oder Mediziner direkten Kontakt zu haben. Sie können aber, wie im Moment so wichtig, dabei zu Hause bleiben. Und das ist nur einer der großen Vorteile.

Im Ausland populär und auch bei uns im Kommen

Übrigens, Telemedizin wird bereits in vielen Ländern genutzt. Norwegen zum Beispiel hat ein gutes Netz, um Fachleute online hinzuzuziehen, wenn Patienten und behandelnde Ärzte sich in abgelegenen Regionen befinden. Aber auch in Deutschland ist Telemedizin im Kommen. In Aachen zum Beispiel läuft das Notarztsystem teilweise bereits darüber. Notfallsanitäter übermitteln so alle relevanten Daten an einen Arzt in der Klinik. Der entscheidet dann, wie vorzugehen ist und gibt den Sanitätern klare Anweisungen und damit Sicherheit. Ein sehr interessantes Projekt, wie ich finde. Es schont Ressourcen in unserem Gesundheitssystem, das stark unter immer stärkeren Einsparungen leidet.

Für weitere Einblicke, habe ich ein Gespräch mit Jochen Roeser geführt, dem CEO von Deutsche Arzt AG, die den Videodienst sprechstunde.online zurzeit – und so lange die Krise andauert – sogar kostenlos zur Verfügung stellt, um einen aktiven Beitrag zu leisten, die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Viel Freude beim Lesen,

Ihr Roland Tennie

Herr Roeser, sprechstunde.online ist eine Art virtuelles Behandlungszimmer. Erklären Sie doch bitte meinen Patienten, was sie sich darunter vorstellen können.

Bei sprechstunde.online halten Arzt oder Heilpraktiker und Patient gemeinsam eine Sprechstunde ab – nur eben nicht mehr in den Praxisräumen, sondern per Video. Man sitzt sich am Bildschirm gegenüber – das kann ein PC, ein Tablet oder ein Smartphone sein – nur eben nicht in den Praxisräumen. Man hört und sieht sich, man kann sich gegenseitig Unterlagen zeigen, wie Laborberichte, Arztberichte, Röntgenbilder; nur man ist halt nicht physisch gemeinsam in einem Raum.

Das ist zugleich Vorteil aber natürlich auch Nachteil. Vorteil deshalb, weil sowohl der Arzt/Heilpraktiker, als aber auch der Patient von jedem Ort der Welt ihre Sprechstunde abhalten können. Das erspart Patienten die Anreise, insbesondere bei Gesundheitsdienstleistern zu denen Patienten aus dem gesamten Land oder der Welt wollen – so wie z.B. bei Ihnen, Herr Tennie.

Zudem ist eine solche räumliche Trennung gerade zu dieser Zeit und vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise von beiden Seiten gewünscht beziehungsweise gefordert.

Nachteil und Begrenztheit dieser Art der ärztlichen Sprechstunde liegen natürlich auch auf der Hand; der physische Kontakt, zum Beispiel ein Abtasten, Spritzen setzen usw. sind im Rahmen einer Video Sprechstunde nicht möglich.

Auf Ihrer Internetseite schreiben Sie, dass Sie die Eindämmung der Verbreitung des Covid-19-Virus gerne aktiv unterstützen möchten und stellen deshalb Ihren Videodienst gratis zur Verfügung. Sehen Sie das Virus neben aller negativer Aspekte, die es mit sich bringt, auch als Chance für die Medizin, online-Behandlungsmethoden auch in Deutschland stärker zu etablieren? Wo liegen die Herausforderungen?

Offen, ehrlich und klar: Die Corona Diskussion ist ein starker Beschleuniger für die Telemedizin, insbesondere für die Videosprechstunde! Denn genau hier ist sie eine richtig starke Hilfe. Die grundsätzlichen Herausforderungen liegen für die Beteiligten dann darin, ihren individuellen Weg in der Nutzung dieser bisher relativ unbekannten und in der Vergangenheit ja auch (im medizinischen Bereich) zum Teil verbotenen Video-Kommunikation zu finden.

Ich persönlich glaube, Ärzte und Heilpraktiker werden die Vorteile, die diese neue Form der Sprechstunde bietet, schnell zu schätzen lernen – insbesondere die Patienten. Dort wo die Videosprechstunde an die Grenzen stößt wird und muss man selbstverständlich weiterhin die physische Sprechstunde in der Praxis betreiben. In einem Punkt bin ich mir sicher; der richtige Mix aus physischer Sprechstunde einerseits und Videosprechstunde andererseits wird sich zum Goldstandard entwickeln.

Was kann Telemedizin leisten und was kann sie zumindest noch nicht? Wie gut kommt Telemedizin bei Ärzten und Heilpraktikern an?

In Zeiten von Corona erst einmal die Unterbrechung der Infektionskette. Dort wo eine Behandlung (Diagnose oder Therapie) ohne physischen Kontakt möglich ist – und das ist natürlich sehr stark vom jeweiligen Fachbereich abhängig – wird sich die digitale Sprechstunde meiner Einschätzung nach etablieren. Selbst bei Disziplinen, die das erst einmal nicht vermuten lassen (Orthopädie oder Physiotherapie) erleben wir gerade, dass die Nutzung deutlich weiter geht, als wir das anfangs vermutet haben.

Ist ein physischer Kontakt notwendig – und das wird in der Medizin immer noch in einem hohen Maße der Fall sein, bleibt es bei dem persönlichen vor Ort Termin in der Praxis. Eine Übersicht zu ganz praktischen Beispielen liefert z.B. die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihrer Website https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php.

Wie sieht die Zukunft der Telemedizin aus? Wie gewährleisten Sie Datenschutz?

Da brechen gerade neue Zeiten an und der zentrale Treibsatz dieser Entwicklung ist nicht das Covid-19-Virus. Na klar, das beschleunigt schon, ist aber nicht der Kern. Die beiden zentralen Treibsätze für die Telemedizin-Entwicklung sind das Smartphone und die „Bequemlichkeitsgewinne“ für den Patienten und Endverbraucher. Das sind die gleichen Gründe, aus denen Amazon, Google und Apple so immens schnell gewachsen sind. Umso wichtiger ist im Bereich Gesundheit aber natürlich der Datenschutz. Diesen gewährleistet die Deutsche Arzt AG durch drei Faktoren; erstens durch die strenge Befolgung der Datenschutz-Grundverordnung, zweitens durch die Zertifizierung unserer Videosprechstunde nach den KBV Vorgaben – und die sind besonders anspruchsvoll und drittens durch die extrem hohe Sensibilität des Gesundheitsmarktes bei diesem Thema. Ein markanter Fehltritt führt dazu, dass die Lösung sofort von den meisten Nutzern abgeschaltet wird; dafür gab es jüngst ein paar Beispiele und es liegt selbstverständlich in unserem eigenen Interesse, dass das nicht passiert.